Mittwoch, 8. August 2007

Altstadt

Ich saß in einem Cafe in der münsteranischen Altstadt und trank den Kaffee, den mir die gutaussehende asiatische Kellnerin gegeben hatte, als ich mit der linken Hand - mit der rechten hielt ich die Tasse - in die Innentasche meiner neben mir liegenden Jacke griff. Ich hatte ein sehr abgegriffenenes und zerknicktes Stück Papier gefunden, auf dem in sehr unleserlicher Schrift "die unbegreifbare Macht deiner Hände sucht meine unfassbaren Nebelschwaden zu berühren, doch was ich liebe ist Schönheit und nicht die Person" stand. Ich brauchte lange um zu entziffern, was ich vor einiger Zeit dort notiert hatte. Hinzu kam, dass ich mich nicht im geringsten an diese Zeilen erinnerte. Ich muss betrunken gewesen sein, was nebenbei die schreckliche Handschrift erklärte, doch die Richtigkeit dieser Worte stellte ich deshalb nicht in Frage. Vor ein paar Minuten hatte ich mich etwas in das nette Lächeln der Kellnerin verliebt, das sie mir zuwarf, als sie mir das Wechselgeld in die Hand legte. Gleichzeitig spürte ich, dass ich nicht die geringste Lust hatte sie kennen zu lernen und über ihr Lachen womöglich dunkle Schatten ziehen zu lassen, durch falsche Worte, die aus dem selben Mund dringen könnten, der mich kurz zuvor schmunzeln machte und warm. Also trank ich meinen Kaffee aus und sagte "Tschüss". Ich trat auf die Strassen der Altstadt und vor den Dom und bemerkte, dass sie mich davon abhielt schnell zu gehen, sie zog an meinem zu elastischen Strang, denn ich bewegte mich zwar noch vorwärts, doch schlich förmlich und wurde, so kam es mir vor, von wilden Menschenmassen überholt, die ich bemitleidete, denn schliesslich liefen sie so ungehalten über das Kopfsteinpflaster, dass ich den Gedanken nicht los wurde, sie hätten sich selber beschnitten. Was mich hält ist erbärmlich, einverstanden, doch noch so viel weniger als es ihr Rennen ist, dachte ich.

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