Münster, Nieberdingstr. 18
Als ich im Umkleide-/Wartezimmer, bereits umgezogen und auf die ärztliche Untersuchung wartend, saß, fiel mir auf das an der weissen Rauhfasertapete ein van Gogh hing. Bereits zuvor, genauer gesagt im Büro der netten Dame welche mir meine Fahrtkosten zurückerstattete, hatte ich einen Monet, auf dem Boden stehend, bemerkt. Diese Büros der Herrschaften die Tag ein Tag aus junge Männer mustern und auf ihre Wehrdiensttauglickeit filtern, sahen stets, wenn auch nicht unbedingt gemütlich, so doch zumindest persönlich aus.
In dem ersten Büro das ich betrat, das der Dame 'Monet', stand auf einem eichernen Dokumenteschrank eine Packung "Werthers Originale" und eine Schachtel "Merci". Dementsprechend sah Madame Monet aus. Überdies war sie kurzhaarig und durch ihre sanfte Art die Tasten des Computers während des Tippens zu berühren, schätzte ich sie als humoristisch einfühlsam ein. Sie war sympathisch und ich witzelte etwas herum. "Kann ich den Führerschein schon wieder einstecken, Madame Monet?" "Nein, den brauche ich gleich noch, aber ich klaue ihn schon nicht." "Das dachte ich mir, schließlich würde es, glaube ich ,auch auffallen."
Das zweite Büro das ich betrat war das einer Dame, die täglich grobgeschätzt fünfzigmal "So, und jetzt noch eine Urinprobe bitte" sagt. Der zu Untersuchende begibt sich an das Pissuar, lässt zwei bis drei Sekunden lang eine gelbe Flüssigkeit auf Keramik stossen, stoppt den Strahl, nimmt einen Plastickbecher den man sonst nur von Parties her kennt, auf denen man in solchen Plastikbechern Alkohol mit Nicht-Alkoholischem mischt, lässt dem Urin wieder freien Lauf bis das Plastikbehältnis halb voll ist, stoppt ein zweites Mal, stellt den Becher aus der Hand auf die Heizung, nur um ein drittes mal zu urinieren beginnen. Während dieses immer gleichen, maschinellen Vorgangs sitzt Madame "So, und jetzt noch eine Urinprobe bitte" auf ihrem schwarzen Bürostuhl und wartet. Hat der zu Untersuchende seine Aufgabe erfüllt, tinkt Madame "So, und jetzt noch eine Urinprobe bitte" einen Stab - Ähnliche kennt man vom Schwangerschaftstest her - in den Urin, schüttelt ihn kurz ab und legt ihn mit der flachen Seite auf die Mitte des Bechers. So liegt er sicherer.
Im dritten Büro das ich betrat saßen ein Doktor und seine Schreibgehilfin. Ich musste mich entkleiden, über Geisteskrankheiten in der Familie und Drogenerfahrungen reden, meine Hoden präsentieren, meine Beine vermessen lassen, Kniebeugen machen und vieles, dem Thema "Wie gut funktioniert diese Maschine denn" ähnelndem mehr. Dieser Doktor und seine Gehilfin wussten nun mehr über mich als meine Eltern und, zumindest körperlich, auch mehr als viele meiner Freunde. "Tauglichkeit-2" lautete das Schlussresümee. "Sie können sich wieder anziehen". Mit jedem Kleidungsstück mehr an meinem Körper striff ich ein wenig Persönlichkeit über, mit jedem Socken verlor ich etwas maschinelles.
Im vierten Büro das ich betrat wartete ein, ebenfalls übergewichtiger, ca. 40-jähriger Mann auf mich. Auf seinem ebenfalls eichernen Schrank standen Honig, Tee, Maggi, ein Wasserkocher und eine Glaspackung voll Instantkaffee. Am Monitor seines PC's hing je ein Bild siner Frau, seines Sohnes und seiner Tochter, letztere im übrigen enorm hübsch. Auf dem Schreibtisch standen drei Bilder, je eins seiner Frau, seines Sohns und seiner Tochter, letztere im übrigen auf jedem Photo schwarz tragend. Auf dem eichernen Schrank neben dem Wasserkocher, stand ein Bilderrahmen in dem ein Photo seiner Famile war. Seine Tochter trug auf diesem Photo ein schwarzes Shirt mit nur sehr kurzen Ärmeln, man konnte erkennen das sie wohl proportionierte Arme hatte, die aufgrund ihrer seitlichen Stellung zudem noch in den Mittelpunkt des Bildes gerieten. Nicht allzu dünn, nicht allzu dick, nicht allzu trainiert. Aufgrund der schwarzen Farbe hebten sie sich elegant vom Rest ihres Körpers ab, in einer Form die an eine junge Eiche, mit deren zwar noch schmalen, doch schon solide tragenden Ästen erinnerte. Sein Chef rief auf dem Firmentelefon an und ich nutzte die Zeit um die Bilder seiner Tochter zu betrachten. Sie war ein junges Exemplar der Mutter, mit der Nase ihres Vaters. Beide Elternteile waren nicht unbedingt hübsch und ich dachte sie müsse in 30 Jahren ebenso verbraucht wie ihre Mutter aussehen. Lichteres Haar, faltige Ringabdrücke unter den Augen und mehr lederig als milchig-zart ausschauende Haut. Ein Vorgang der unabwendbar ist, kein Rostschutzmittel das starg genug wäre. Vater beendete das Gespräch und bemerkte das ich seine Tochter angestarrt hatte. Er fühlte sich mehr geehrt als er mein Verhalten verurteilte und vielleicht wäre er mit einem T2-ler wie mir garnicht so unzufrieden. Nach seiner Meinung ensprach mein Marktpreis dem seiner Tochter, denn mit meinem T2-Status wäre ich als Schwiegersohn akzeptiert worden.
Ich war entlassen, mit der Schlussinformation ich könne in der Bundeswehr alles machen, außer Gebirgsjäger zu werden. Wahrscheinlich da meine Schwester Asthma hat. Wie dem auch sei, ich habe zwei Wochen um mein Kriegsdienstverweigerungsschreiben aufzusetzen.
Vielleicht lag es daran das ich noch müde war, vielleicht auch daran das ich zu jenem Zeitpunkt auf der nicht nebligen Gebirgsspitze meiner ab und zu manischen Persönlichkeit stand. Doch jedenfalls empfand ich den gesamten Ablauf, den kompletten Musterungsapparat als nicht sehr negativ. Ganz im Gegenteil, als sehr ehrlich. Ich wurde eingestuft, in eine deutliche Schublade eingeschoben, mir wurden keine unnötigen Fragen gestellt, ich wusste stets was als nächstes kommen würde, wann ich zu warten hatte, wann ich zu urinieren hatte, wann mein Genital sichtbar sein musste und wann meinen Arm zu heben hatte. Wie auf Knupfdruck. Alles in allem eine angenehme Pause davon, zu jedem Zeitpunkt ein 'Ich' sein zu müssen. Keiner dieser Menschen erfuhr Wirkliches über mich. Ich glaube gerade in diesem Zustand zeigt sich was Ich wirklich heißt. Ich möchte damit nicht sagen das der Wehrdienst charakterlich sonderlich stärkt, oder einem Menshen ein bewußteres Ich-Gefühl gibt, denn sobald der Wehrdienstleistende wieder in eine feste Gruppe integriert ist und langzeitig mit ihr arbeitet, beginnt Projektion und Heuchelei von neuem.
Mir bleibt nur noch zu sagen das der unsympathischste Garcon den ich sah, ein möchtegern Rebell war, der sich weigerte sich ihm Umkleideraum umzuziehen. Ich fragte ob man sich in diesem Raum umzöge und er antwortete: "Eigentlich schon, aber wenn du dasselbe vorhast wie ich", hiermit meinte er wohl den Zivildienst, "kannst du deine KLamotten auch einfach anlassen. Ist weniger Arbeit." Ich antwortete es sei sicherlich mehr Arbeit sich lange rechtfertigen zu müssen, nur um sich wenige Minuten später vor dem Arzt auszuziehen. Er zuckte mit den Achseln, während sich in seinem Gesicht sowohl die Linke Wange samt Teilen der Lippe, als auch das Auge samt Augenbraue arrogant nach oben verzog. Daraufhin zog ich mich um. In seinem Gesicht fiel darufhin die linke Wange samt Lippe wieder in ihrem Normalzustand zurück, wofür sich jedoch das rechte Auge zusammen mit der rechten Augenbraue auf die Höhe des anderen Auges begab. Als sagte er "wie du meinst, kleiner Wehrdienstleistender".
Da fällt mir noch etwas ein: Heute hat sich die Zahl der Personen, die mein Genital gesehen haben, verdoppelt.
In dem ersten Büro das ich betrat, das der Dame 'Monet', stand auf einem eichernen Dokumenteschrank eine Packung "Werthers Originale" und eine Schachtel "Merci". Dementsprechend sah Madame Monet aus. Überdies war sie kurzhaarig und durch ihre sanfte Art die Tasten des Computers während des Tippens zu berühren, schätzte ich sie als humoristisch einfühlsam ein. Sie war sympathisch und ich witzelte etwas herum. "Kann ich den Führerschein schon wieder einstecken, Madame Monet?" "Nein, den brauche ich gleich noch, aber ich klaue ihn schon nicht." "Das dachte ich mir, schließlich würde es, glaube ich ,auch auffallen."
Das zweite Büro das ich betrat war das einer Dame, die täglich grobgeschätzt fünfzigmal "So, und jetzt noch eine Urinprobe bitte" sagt. Der zu Untersuchende begibt sich an das Pissuar, lässt zwei bis drei Sekunden lang eine gelbe Flüssigkeit auf Keramik stossen, stoppt den Strahl, nimmt einen Plastickbecher den man sonst nur von Parties her kennt, auf denen man in solchen Plastikbechern Alkohol mit Nicht-Alkoholischem mischt, lässt dem Urin wieder freien Lauf bis das Plastikbehältnis halb voll ist, stoppt ein zweites Mal, stellt den Becher aus der Hand auf die Heizung, nur um ein drittes mal zu urinieren beginnen. Während dieses immer gleichen, maschinellen Vorgangs sitzt Madame "So, und jetzt noch eine Urinprobe bitte" auf ihrem schwarzen Bürostuhl und wartet. Hat der zu Untersuchende seine Aufgabe erfüllt, tinkt Madame "So, und jetzt noch eine Urinprobe bitte" einen Stab - Ähnliche kennt man vom Schwangerschaftstest her - in den Urin, schüttelt ihn kurz ab und legt ihn mit der flachen Seite auf die Mitte des Bechers. So liegt er sicherer.
Im dritten Büro das ich betrat saßen ein Doktor und seine Schreibgehilfin. Ich musste mich entkleiden, über Geisteskrankheiten in der Familie und Drogenerfahrungen reden, meine Hoden präsentieren, meine Beine vermessen lassen, Kniebeugen machen und vieles, dem Thema "Wie gut funktioniert diese Maschine denn" ähnelndem mehr. Dieser Doktor und seine Gehilfin wussten nun mehr über mich als meine Eltern und, zumindest körperlich, auch mehr als viele meiner Freunde. "Tauglichkeit-2" lautete das Schlussresümee. "Sie können sich wieder anziehen". Mit jedem Kleidungsstück mehr an meinem Körper striff ich ein wenig Persönlichkeit über, mit jedem Socken verlor ich etwas maschinelles.
Im vierten Büro das ich betrat wartete ein, ebenfalls übergewichtiger, ca. 40-jähriger Mann auf mich. Auf seinem ebenfalls eichernen Schrank standen Honig, Tee, Maggi, ein Wasserkocher und eine Glaspackung voll Instantkaffee. Am Monitor seines PC's hing je ein Bild siner Frau, seines Sohnes und seiner Tochter, letztere im übrigen enorm hübsch. Auf dem Schreibtisch standen drei Bilder, je eins seiner Frau, seines Sohns und seiner Tochter, letztere im übrigen auf jedem Photo schwarz tragend. Auf dem eichernen Schrank neben dem Wasserkocher, stand ein Bilderrahmen in dem ein Photo seiner Famile war. Seine Tochter trug auf diesem Photo ein schwarzes Shirt mit nur sehr kurzen Ärmeln, man konnte erkennen das sie wohl proportionierte Arme hatte, die aufgrund ihrer seitlichen Stellung zudem noch in den Mittelpunkt des Bildes gerieten. Nicht allzu dünn, nicht allzu dick, nicht allzu trainiert. Aufgrund der schwarzen Farbe hebten sie sich elegant vom Rest ihres Körpers ab, in einer Form die an eine junge Eiche, mit deren zwar noch schmalen, doch schon solide tragenden Ästen erinnerte. Sein Chef rief auf dem Firmentelefon an und ich nutzte die Zeit um die Bilder seiner Tochter zu betrachten. Sie war ein junges Exemplar der Mutter, mit der Nase ihres Vaters. Beide Elternteile waren nicht unbedingt hübsch und ich dachte sie müsse in 30 Jahren ebenso verbraucht wie ihre Mutter aussehen. Lichteres Haar, faltige Ringabdrücke unter den Augen und mehr lederig als milchig-zart ausschauende Haut. Ein Vorgang der unabwendbar ist, kein Rostschutzmittel das starg genug wäre. Vater beendete das Gespräch und bemerkte das ich seine Tochter angestarrt hatte. Er fühlte sich mehr geehrt als er mein Verhalten verurteilte und vielleicht wäre er mit einem T2-ler wie mir garnicht so unzufrieden. Nach seiner Meinung ensprach mein Marktpreis dem seiner Tochter, denn mit meinem T2-Status wäre ich als Schwiegersohn akzeptiert worden.
Ich war entlassen, mit der Schlussinformation ich könne in der Bundeswehr alles machen, außer Gebirgsjäger zu werden. Wahrscheinlich da meine Schwester Asthma hat. Wie dem auch sei, ich habe zwei Wochen um mein Kriegsdienstverweigerungsschreiben aufzusetzen.
Vielleicht lag es daran das ich noch müde war, vielleicht auch daran das ich zu jenem Zeitpunkt auf der nicht nebligen Gebirgsspitze meiner ab und zu manischen Persönlichkeit stand. Doch jedenfalls empfand ich den gesamten Ablauf, den kompletten Musterungsapparat als nicht sehr negativ. Ganz im Gegenteil, als sehr ehrlich. Ich wurde eingestuft, in eine deutliche Schublade eingeschoben, mir wurden keine unnötigen Fragen gestellt, ich wusste stets was als nächstes kommen würde, wann ich zu warten hatte, wann ich zu urinieren hatte, wann mein Genital sichtbar sein musste und wann meinen Arm zu heben hatte. Wie auf Knupfdruck. Alles in allem eine angenehme Pause davon, zu jedem Zeitpunkt ein 'Ich' sein zu müssen. Keiner dieser Menschen erfuhr Wirkliches über mich. Ich glaube gerade in diesem Zustand zeigt sich was Ich wirklich heißt. Ich möchte damit nicht sagen das der Wehrdienst charakterlich sonderlich stärkt, oder einem Menshen ein bewußteres Ich-Gefühl gibt, denn sobald der Wehrdienstleistende wieder in eine feste Gruppe integriert ist und langzeitig mit ihr arbeitet, beginnt Projektion und Heuchelei von neuem.
Mir bleibt nur noch zu sagen das der unsympathischste Garcon den ich sah, ein möchtegern Rebell war, der sich weigerte sich ihm Umkleideraum umzuziehen. Ich fragte ob man sich in diesem Raum umzöge und er antwortete: "Eigentlich schon, aber wenn du dasselbe vorhast wie ich", hiermit meinte er wohl den Zivildienst, "kannst du deine KLamotten auch einfach anlassen. Ist weniger Arbeit." Ich antwortete es sei sicherlich mehr Arbeit sich lange rechtfertigen zu müssen, nur um sich wenige Minuten später vor dem Arzt auszuziehen. Er zuckte mit den Achseln, während sich in seinem Gesicht sowohl die Linke Wange samt Teilen der Lippe, als auch das Auge samt Augenbraue arrogant nach oben verzog. Daraufhin zog ich mich um. In seinem Gesicht fiel darufhin die linke Wange samt Lippe wieder in ihrem Normalzustand zurück, wofür sich jedoch das rechte Auge zusammen mit der rechten Augenbraue auf die Höhe des anderen Auges begab. Als sagte er "wie du meinst, kleiner Wehrdienstleistender".
Da fällt mir noch etwas ein: Heute hat sich die Zahl der Personen, die mein Genital gesehen haben, verdoppelt.
Fountain - 9. Nov, 14:26