Freitag, 15. September 2006

(Kein Titel)

Also fuhr ich heute im Bus Richtung Zuhause und nachdem sich ein halber Freund, nein, sogar eher ein halber Bekannter neben mich setzte, musste ich mein Buch am Abschnittsende zuschlagen und zurück in meinen Leinenbeutel legen. Ich hasse so etwas einfach. Jeder Mensch in meiner Umgebung sollte einen riesigen Kolben im Gesicht, eine immense Nase besitzen, um erriechen zu können ob ich nun Gesellschaft brauche oder nicht, ob ich Trost brauche, bunburysieren will, oder was auch immer.
Jedenfalls war es einer dieser - doch sehr unbekannten, weit entfernten - Bekannten, die es unschön fänden, enstehe eine längere Pause des Schweigens. Ensteht diese nun wirklich, fangen sie an nervös auf irgendwelchen Gegenständen oder Körperteilen herumzuhämmern, oder nervös zu summen, in der Gegend herumzustarren, manchmal sogar darüber zu reden wie fabelhaft die Rückkehr des Sommers doch ist ("Nein.").
Jedenfalls schien er irgendwann anhand meines penetranten Aus-Dem-Fenster-Starrens gemerkt zu haben, dass ich an einer Konversation mit ihm nicht interessiert war. Ich hatte ihn also passiv ruhig gestellt. (Vielleicht war ich in dem Moment sogar ein wenig Stolz auf mich, aber warum auch nicht. Eventuell war es auch nur die rückkehrende Ruhe die mir ein gewisses Wohlbefinden einhauchte)

Diese Ruhe - ich hatte sie mir ja meiner Meinung nach durchaus verdient - hielt allerdings nicht allzu lange an. An der nächsten Bushaltestelle stiegen grobgeschätzt 30 Dritt- bis Viertklässler ein. Es wurde geschrien (nach Lehrerin und Freunden), gespielt (Schnick-Schnack-Schnuck, jedoch die illegale Version mit dem "Brunnen") und herumgelaufen. Nur Eines schienen diese tönenden Sirenen nicht zu können. Schweigen. Da war er also wieder, der Unmut.

Die restlichen 20 Minuten gingen so von statten wie man es sich wahrscheinlich vorstellt. Das Gekreische der Kinder, Die Ermahnungen der Lehrerin, das Über-Die-Kinderchen-Schmunzeln meines mir beinahe völlig unbekannten und fremden Sitznachbarn und mein Aus-Dem-Fenster-Schauen. (Eventuell war dieses Aus-Dem-Fenster-Schauen ein Akt des Kräfte sammelns)

Beim Aussteigen musste ich ein Kind darauf aufmerksam machen, mich doch bitte durchzulassen, da ich an dieser Haltestelle raus müsse. "Tschüss Thomas, auf bald", sagte ich also. (Den Namen hatte irgendwer herumgebellt, wobei ich natürlich, der Genauigkeit halber, nicht weiß ob dieser Herr wirklich mit "H" geschrieben wird. Die Möglichkeit das seine Eltern nicht aus Deutschland kommen besteht ja schliesslich). Meiner Meinung nach angsterfüllt, erwiderte er "Woher kennst du meinen Namen?", worauf ich antwortete, dass man das doch sehe.

Die Vorstellung das Herr T(h)omas üble Alpträume bekommt - mir diese sogar genaus auszumalen-, machte für mich die Tatsache wett, dass ich meine Ruhe nicht bekommen hatte und beseitigte mein schlechtes Gewissen. Ich bin ein schrecklicher Egoist. Jedoch mit vollem Bewußtsein.

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