Samstag, 13. Januar 2007

Marsch zu später Stunde

Von weitem schlug die Kirchuhr Eins, demnach ein einziges Mal. Wahrscheinlich schläft der Mensch im Allgemeinen gerade deshalb zu dieser Uhrzeit, da laut tönende Glocken zu dieser Zeit eher lakonisch klingen als um, sagen wir einmal 16 Uhr oder 22 Uhr. Keine Frage, wer soll bei einem solchen Geräuschpegel einschlafen können? Es bietet sich daher logischerweise an, gegen 24 Uhr zu einem Ende, das „Womit“ soll außer Acht gelassen werden, zu kommen, um desto näher die Zeiger gen Eins sich richten bettfein dazustehen und die sich dann bietende Ruhe auszukosten.
Dieser Logik Folge leistend befand sich ein junger Herr auf seinem Heimweg, kam von einem Treffen mit Freunde, setzte einen Fuß vor den Nächsten und sinnvoll regelmäßig aufgestellte Straßenlaternen beleuchteten seinen Körper hinreichend. Störend wurden die Lichter erst, kamen Autoscheinwerfer hinzu. Vergaßen die Lenker dieser Autos jedoch zusätzlich ihre Fernlichter zu dimmen, was in Anbetracht eines einzelnen Menschen auf einem die Strasse nicht direkt betreffenden Bürgersteig keine Seltenheit war, wurden Intensität und die damit einhergehende sowohl blendende als auch entmystifizierende Wirkung des Lichtes lästig, und einem durch den bereits länger andauernden Fußmarsch an die Dunkelheit gewöhnten Auge, beinahe kränkend. Allerdings hörte man in einer zum Teil unbewohnt anmutenden Gegend wie dieser, ein Auto bereits von weit entfernt sich schleichend nähernd, wodurch ein abgeschieden spazieren gehender Herr sich auf stetig heller werdende Einflüsse einstellen konnte, mit Beobachtung durch elektrisches Licht gleichsam rechnen konnte. Während er auf dem Trottoir ging, kamen regelmäßig Lichter näher, wurden stärker und schließlich seine Umgebung bestimmend, blendeten ihn oder wurden ausfallend und verschwanden ebenso gleichmäßig wie sie gekommen waren. So beunruhigend das Aufkommen war, war das Verschwinden beruhigend, demzufolge waren beide Vorgänge sinnvoll, einander bedingend und so gleich wie der jeweils Andere.
Zwar sah er wohin auch immer er schaute Häuser, doch verliehen sie dem Bild das sich seinen Augen bot mehr einen gespenstischen und verdorrten Ausdruck, als es von Menschen unbewohnt ländliche Felder oder ein durchweg dunkler Wald tun würden. Winterliche Äcker ließen an tierisches Zusammenleben denken, an sich sammelnden Regen oder man hörte den Wind frei pfeifen. Diese Art von Stadt jedoch schien für einen Einzelnen tödlich zu sein. Sie gab dem Denken feste Spielregeln und Themen vor. Die Höhe der Fenster besaß ein ausgeprägtes Maß an Boshaftigkeit. Zu hoch um die Inneneinrichtung der Zimmer beobachten zu können, um Menschen auf Couches oder Stühlen sitzen zu sehen, um mehr als die schnell wechselnden Farben eines Fernsehers zu erkennen. Hinter den meisten Fenstern jedoch war es ausschließlich schwarz. Zuerst ein schwarzes Fenster, dann noch eines, noch eines, ein Nächstes war durch Rollläden in Sicherheit gebracht worden, zur Abwechslung ein Fenster das einen laufenden Fernseher inmitten des Raumes verriet, wieder drei, vier schwarze Fenster und ein Fenster hinter dem Vorhänge sichtbar waren, bevor ein Auto zuerst hörbar, dann durch seine Scheinwerfer sichtbar wurde und dieses letztere Fenster spiegelnd machte; die Vorhänge verschwanden. Die Verglasung der Häuser verhielt sich genauso wie die Verglasung der Autos. Sie sprach nicht ein Wort, ließ auf nichts schließen. Fahrer waren nicht wahrzunehmen, lediglich matte Wände die sich bewegten. Diese Wände waren programmiert und besaßen Ziele, kamen von einem und fuhren zu einem anderen Ort, um dort Aufgaben zu erledigen oder sich auszuruhen und Kraft zu sammeln, welche sie unabdingbar zu einem späteren Zeitpunkt benötigen würden. Vielleicht etwas essen oder trinken. Dann schlafen. Sie hatten einen anderen Rhythmus als das was sich hinter ihren Wänden, hinter Mauern, Türen und Rollläden niederließ. Inzwischen war es Ein Uhr und Fünfzehn Minuten, eine nachtschlafende Uhrzeit. Verständlicherweise hatte man wenig zu erwarten, es war doch auch schon dunkel und zu spät. Als er in seinem Bett lag, schlief er ein. Das Treffen war wie er es erwartet hatte und der Heimweg den er zu Fuß hatte zurücklegen müssen, war kürzer als er gedacht hatte.

Anmerk.: Heute, einen Tag später, hasse ich diese Worte. Völliger Mist.

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