Samstag, 13. Januar 2007

Marsch zu später Stunde

Von weitem schlug die Kirchuhr Eins, demnach ein einziges Mal. Wahrscheinlich schläft der Mensch im Allgemeinen gerade deshalb zu dieser Uhrzeit, da laut tönende Glocken zu dieser Zeit eher lakonisch klingen als um, sagen wir einmal 16 Uhr oder 22 Uhr. Keine Frage, wer soll bei einem solchen Geräuschpegel einschlafen können? Es bietet sich daher logischerweise an, gegen 24 Uhr zu einem Ende, das „Womit“ soll außer Acht gelassen werden, zu kommen, um desto näher die Zeiger gen Eins sich richten bettfein dazustehen und die sich dann bietende Ruhe auszukosten.
Dieser Logik Folge leistend befand sich ein junger Herr auf seinem Heimweg, kam von einem Treffen mit Freunde, setzte einen Fuß vor den Nächsten und sinnvoll regelmäßig aufgestellte Straßenlaternen beleuchteten seinen Körper hinreichend. Störend wurden die Lichter erst, kamen Autoscheinwerfer hinzu. Vergaßen die Lenker dieser Autos jedoch zusätzlich ihre Fernlichter zu dimmen, was in Anbetracht eines einzelnen Menschen auf einem die Strasse nicht direkt betreffenden Bürgersteig keine Seltenheit war, wurden Intensität und die damit einhergehende sowohl blendende als auch entmystifizierende Wirkung des Lichtes lästig, und einem durch den bereits länger andauernden Fußmarsch an die Dunkelheit gewöhnten Auge, beinahe kränkend. Allerdings hörte man in einer zum Teil unbewohnt anmutenden Gegend wie dieser, ein Auto bereits von weit entfernt sich schleichend nähernd, wodurch ein abgeschieden spazieren gehender Herr sich auf stetig heller werdende Einflüsse einstellen konnte, mit Beobachtung durch elektrisches Licht gleichsam rechnen konnte. Während er auf dem Trottoir ging, kamen regelmäßig Lichter näher, wurden stärker und schließlich seine Umgebung bestimmend, blendeten ihn oder wurden ausfallend und verschwanden ebenso gleichmäßig wie sie gekommen waren. So beunruhigend das Aufkommen war, war das Verschwinden beruhigend, demzufolge waren beide Vorgänge sinnvoll, einander bedingend und so gleich wie der jeweils Andere.
Zwar sah er wohin auch immer er schaute Häuser, doch verliehen sie dem Bild das sich seinen Augen bot mehr einen gespenstischen und verdorrten Ausdruck, als es von Menschen unbewohnt ländliche Felder oder ein durchweg dunkler Wald tun würden. Winterliche Äcker ließen an tierisches Zusammenleben denken, an sich sammelnden Regen oder man hörte den Wind frei pfeifen. Diese Art von Stadt jedoch schien für einen Einzelnen tödlich zu sein. Sie gab dem Denken feste Spielregeln und Themen vor. Die Höhe der Fenster besaß ein ausgeprägtes Maß an Boshaftigkeit. Zu hoch um die Inneneinrichtung der Zimmer beobachten zu können, um Menschen auf Couches oder Stühlen sitzen zu sehen, um mehr als die schnell wechselnden Farben eines Fernsehers zu erkennen. Hinter den meisten Fenstern jedoch war es ausschließlich schwarz. Zuerst ein schwarzes Fenster, dann noch eines, noch eines, ein Nächstes war durch Rollläden in Sicherheit gebracht worden, zur Abwechslung ein Fenster das einen laufenden Fernseher inmitten des Raumes verriet, wieder drei, vier schwarze Fenster und ein Fenster hinter dem Vorhänge sichtbar waren, bevor ein Auto zuerst hörbar, dann durch seine Scheinwerfer sichtbar wurde und dieses letztere Fenster spiegelnd machte; die Vorhänge verschwanden. Die Verglasung der Häuser verhielt sich genauso wie die Verglasung der Autos. Sie sprach nicht ein Wort, ließ auf nichts schließen. Fahrer waren nicht wahrzunehmen, lediglich matte Wände die sich bewegten. Diese Wände waren programmiert und besaßen Ziele, kamen von einem und fuhren zu einem anderen Ort, um dort Aufgaben zu erledigen oder sich auszuruhen und Kraft zu sammeln, welche sie unabdingbar zu einem späteren Zeitpunkt benötigen würden. Vielleicht etwas essen oder trinken. Dann schlafen. Sie hatten einen anderen Rhythmus als das was sich hinter ihren Wänden, hinter Mauern, Türen und Rollläden niederließ. Inzwischen war es Ein Uhr und Fünfzehn Minuten, eine nachtschlafende Uhrzeit. Verständlicherweise hatte man wenig zu erwarten, es war doch auch schon dunkel und zu spät. Als er in seinem Bett lag, schlief er ein. Das Treffen war wie er es erwartet hatte und der Heimweg den er zu Fuß hatte zurücklegen müssen, war kürzer als er gedacht hatte.

Anmerk.: Heute, einen Tag später, hasse ich diese Worte. Völliger Mist.

Mittwoch, 10. Januar 2007

Wir haben darüber geredet

Wenig gebannt, dafür sentimental,
wenig galant, dafür zum zehnten Mal
sagtest du, du hättest keine Lust mehr
Und ich "dann lass es doch bleiben";
"Nein, das wäre nicht fair", oder so ungefähr.

Du erzähltest von früher,
von einem selbst aufgenommenen Hörspiel.
Die beste Freundin von damals
Sei was dir beim letzten Anhören missfiel.
Jedoch was dir gefiel seien die Ideen an sich.
"Und das in dem Alter",
Ich glaube ich fand' es schon ganz okay.

Du erzähltest von heute,
Davon was du dir wünschst.
Vielleicht zwei kleine Hamster die dich erinnern?
An Freiheit und Zusammenleben, doch viel mehr
An Belanglosigkeit und daran klein bei zu geben.

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Du sagst das Leben sei lang
Es könne so viel passieren,
Ich denke: "was passieren kann
Wird trotzdem keinen Inhalt transportieren."
Was im Großen und Ganzen schon ganz okay ist.
Man geht ein Stück weit gemeinsam und kennt sich.

Du erzähltest von Plänen, irgendein Grundriss
Von dem was nach dem sein wird, was zurzeit ist:
Du hättest zwar Lust, doch dir fehlte die Zeit,
Eigentlich sei es das Geld,
jedenfalls sähest du gerne mehr von der Welt.

Du erzähltest du wüsstest nicht was das bedeute.
Doch nur eine Phrase über die man sich schon immer freute
Und dann bereute, als man anfing einzusehen:
Es würde zwar gehen,
doch man sei doch schon viel zu bequem.

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Du erzähltest von Nachbarn und halben Bekannten
Und einer handvoll Verwandten
fühltest du dich damals verstanden
Du siehst sie morgens zur Arbeit und abends nach Hause gehen
Nur musst du doch nicht sie, sondern dich selber verstehen.

Wenn du heut' daran denkst bist du verwundert
Wie die Erinnerung verblasst, die Zeit sie verändert
Ich glaubte zu wissen wovon du erzählst
Und heut' würd' ich wetten:
Von nächtlichem Nebel, Umrissen und Silhouetten.

Ich glaubte zu wissen wo dein Problem liegt:-
Wie das Leben zwar leicht dahinfliegt,
Doch man selber zu schwer wiegt-:
Aus Federn und Wünschen wird Hoffen,
Aus Hoffen wird Planen und Blei.
Und ganz nebenbei etwas Geschrei,
etwas Schwarzmalerei,
Etwas Zweierlei, etwas Schauspielerei
Und das ganze wiegt Tonnen.

Das hättest du so nie erwartet,
Du könntest doch gar nichts dafür.

Freitag, 5. Januar 2007

Aphorismen (4)

Heisst Leben aus Wünschen Hoffnungen und aus diesen wiederum Pläne werden zu lassen, auf welche zusätzlich Umstände treffen?

Samstag, 30. Dezember 2006

Eine Erzählung noch ohne Titel; Erstes Kapitel

Die Strassen auf denen das Wasser nur noch seicht und gelegentlich im Rinnstein stand, begannen bereits in der Mitte zu trocknen, während sie umso weiter man gen Bürgersteig schaute noch angenehm feucht glänzten. Als könnten sie sich nicht recht entscheiden, als zögen sie in Betracht das es so oder so bald wieder regnen werde, sich die Mühe des Sich-Trocknens demnach nicht lohne, allem voran im November. Einem sehr grauen November der den Vorgang des Trocken-Werdens durch Unentschlossenheit und hohe Luftfeuchtigkeit zäh in die Länge zieht. Ähnlich einer Einsicht, einer aus jener resultierenden Idee welche sich aufgrund von fehlenden Mutes, oder negativer ausgedrückt, aufgrund von Feigheit niemals in die Realität umsetzen lassen wird. Wer aber trägt nun die Schuld an nassen Strassen? Man selbst, der November, die Einsicht, die Luftfeuchtigkeit, die Idee, die Unentschlossenheit oder die Feigheit? Es bleibt doch bei unveränderlich gegebenen Gegebenheiten.
Auf eben jenen schrecklich demotivierten Strassen trafen sich zwei Menschen nicht zufällig. Sie waren verabredet, fanden einander abscheulich hübsch und waren doch, nein, wahrscheinlicher deswegen, über alle Maßen unentschlossen. Und das da ihr Rendezvous auf folgende Art und Weise entstanden war:
Monsieur wusste um das Interesse das Madame an ihm hatte, denn er hatte schön viele ähnliche Blicke von Damenerhalten, gelegentlich gar provozierend erobert. So hatte er denn gelernt die Verschiedenheit jedes Gesichtes während zwischenmenschlichen Interaktionen abzustreichen und nur eine immer gleiche, stereotype Maske zu erkennen. Eine gefilterte Essenz von der man nur einen Tropfen aus einer Pipette auf einen beliebigen Menschen geben muss, um feststellen zu können welche Art von Interesse dieser Mensch an jemandem hat. Mit mathematischer Genauigkeit konnte Monsieur einzelne Chemikalien und verschiedene Bestandteile unterscheiden, diese zu einer Gleichung aneinanderreihen und dadurch Inhalte, Zweckmäßigkeiten und Kundgebungen aller Blicke zu denen das menschliche Gesicht im Stande ist differenzieren: Die von Sympathie, „Ich bin schon vergeben“ -Sympathie, Antisympathie und von sexuellem Interesse zeugenden Mimiken. Er war der Meinung es gäbe nur eine handvoll wirklicher Gefühle, vorzugsweise „Zutaten“ genannt, welche es herauszuschmecken gilt, um aus diesen jede andere Form einer Beziehung zwischen zwei Menschen zusammenzumischen. Eine Speise also aus der man verschiedene Ingredienzien herausschmecken kann. Was man nicht exakt herausschmeckt könne man via Ausschlussverfahren abhaken, bis man schlussendlich zu einem eindeutigen Gericht gelangt das man benennen kann. Auch hierbei steht wieder eine mathematische Vorgehensweise zur Verfügung: Von groben Grossen zum feinen Kleinen. Vorspeise, Hauptgang oder Nachtisch, im Sinne von Sympathie, Antisympathie oder Gleichgültigkeit. Suppe, Pudding oder Steak, eine eindeutig zu beantwortende Frage der Konsistenz. Diesen Beispielen folgend fährt man fort bis man zu einem eindeutigen Befund gelangt. Wildhasenfilet im Blätterteig auf Lebkuchensoße.
In der Eigenart seiner Anschauungen glich sein Inneres seinem Äußeren vorzüglich, denn der Glanz seiner Augen war für den aufmerksamen Beobachter wohl auffälliger als es tiefschwarze, rote oder karierte Augen wären. Trotzdem man seine Augen eindeutig als glänzend bezeichnen musste, stand doch außer Frage das sie auf eine neblige, undurchschaubare Art matt funkelten die einem Autoscheinwerfer unromantisch ähnelten, der noch weit entfernt liegt und durch steten, prasselnden Regen verschwimmt. Seine gesamte Physiognomie setzte nach diesem unauffällig auffälligen Bauplan zusammen. Eine feine Nase die durch einen leichten Hügel in der mittleren Region nicht zu offensichtlich schön war, sondern erst durch diesen minimalen Makel greifbar wurde. An einer einzigen Stelle des Gesichtes, es handelte sich um den linken Mundwinkel, war seine Haut spröde. Der Rest war sauber rasiert und weder zu trocken noch zu gepflegt. Beinahe hätte man denken können das Gesicht sei sorgfältig eingerieben worden, nur die spröde Stelle um den linken Mundwinkel herum sei, ebenso sorgfältig wie selbstverständlich mutwillig, ausgelassen worden. Desgleichen waren die Augenbrauen dieser Person arg offensichtlich ungezupft, doch den Eindruck eines Ausdruckes erweckend. Als wüsste er um die Konsequenzen die das Entfernen des Übergangs von der linken zur rechten Augenbraue mit sich brächte. Als fürchtete er eine allzu offen daliegende Schönheit.
Madame schienen diese beinahe nicht vorhandenen Makel, innerhalb seiner ebenso nur beinahe vorhandenen Makellosigkeit zu gefallen, denn sie machten ihr Mut. Sie zog einen Erfolg zumindest in Betracht. Obwohl sie elegant aussah, niemand hätte wohl die Unerschrockenheit sie als hässlich zu bezeichnen, war sie sehr subjektiv hübsch. Zwar ist Attraktivität niemals gesetzmäßig, doch lag in ihrem Falle einen besondere Bandbreite von Meinungen vor. Die einen mochten große Nase, weite, schwarz geschminkte Tiefseeaugen und dicke Lippen nicht, sagten sie sei ihnen gar nicht aufgefallen oder sie hätten sie zwar wahrgenommen, jedoch nicht als schön oder hässlich. „Ganz okay“, hörte man Leute ebenso oft sagen wie „Was? Von wem redest du?“ Seltener traf sie auf Männer die sie wirklich verehrten, kam dies jedoch vor zählte sie für diese Menschen zumeist zu dem schönsten Dutzend Frauen die sie je gesehen hatten. Eine breite Bandbreite also, die es ihr unmöglich machte ihren eigenen Marktwert einzuschätzen, ein selbstbewusstes Auftreten gleichsam verhinderte. Sie zweifelte an ihrer eigenen Schönheit, wohingegen andere nicht begreifen konnten wie man ein solchen wohl komponiertes Gesicht nicht begehren konnte, man nicht das Verlangen entwickelte über ihre angenehm riechenden Puderwangen zu streicheln oder den Finger sanft über die milchig weichen Lippen dieses perfekt abgestimmten Gemäldes gleiten zu lassen.
Monsieur zählte zur letzteren Gruppe, zu denen die Ideal und Traumerscheinung dieser Dame hoch achteten. Und so verlief alles auf einem bereits platt- und festgetretenen Weg: Der Herr hatte seine Gleichung aufgestellt, ein Tröpfchen Essenszaufgetragen die ihm sowohl verriet welche Art von Interesse Madame an ihm hatte, als auch feststellen ließ das sie von ihrer eigenen Person alles andere als überzeugt war. Ihr Bewusstsein sagte sie dürfe sich zwar Chancen einrechnen, ohne das die Aussicht jedoch sicher begründet wäre, ganz im Gegensatz zu denen des Herren. Der Gedanke an diese vermeintlichen Chancen konnte lediglich entstehen da sie ein paar wenige Makel an ihm entdeckt hatte, beispielsweise der trockene Mundwinkel, die ungezupften Augenbrauen oder aber die etwas längeren Haare, denen man ansah das er sie weder mutwillig lang wachsen ließe, noch vor kurzem oder überhaupt regelmäßig einen Friseur besuchte, wodurch sie einen Marktwert sinken sah und sich selbst erfolgreiche Aussichten einzurechnen erlaubte. Die Sicht beider Beteiligten war lohnenswert und versprach Bestätigung und Erfahrung, auf einer simplen Basis auf der sich im Nachhinein aufbauen lassen würde. Beide nutzten die ersten, bereits jetzt erkannten Schwächen des jeweils anderen aus. Beiden konnte kein Außenstehender etwas verübeln, nicht einmal sie selber konnten es ja dem anderen verübeln, da dies schon zu diesem Zeitpunkt alles zerstört hätte. Ganz im Gegenteil, man sollte ihnen applaudieren!
Die Situation lag wie ein offenes Kartenspiel auf einem sehr großen Tisch dar, der keinem der Spielenden ermöglichte die Vorzüge eines offenen Kartenspiels auszunutzen. Im Allgemeinen ist diese offene Spielweise nicht mehr als Bequemlichkeit, denn sein Blatt über Stunden hinweg in den Händen zu halten, fest und sicher verdeckt, kann zu einer anstrengenden Qual werden. Trotz dieser Gegebenheiten herrschte eine allgemeine Unsicherheit vor, auf beiden Seiten, die verstärkt wurde durch die Tatsche das bereits während des Verabredens der Verabredung, via Telefon entstanden, es zu einem Schweigen gekommen war. Kurz nachdem die ersten unabdingbar notwendigen Floskeln und unabdingbar stereotypen Phrasen ausgetauscht waren und sowohl der Ort als auch die Zeit des Treffens feststanden, wusste niemand so recht wie nun weiter vorzugehen war. Sollte man schon auflegen, möglicherweise unhöflich oder uninteressiert erscheinen, trotzdem ja das Ziel des Telefonats erreicht worden war? Sollte man versuchen den Menschen an der anderen Seite der Leitung zum Lachen, zumindest zum Schmunzeln zu bringen und in Betracht ziehen sich wohlmöglich lächerlich zu machen , den Humor des anderen nicht zu treffen oder als unseriös aufzutreten? Und das schon in einer so frühen Phase. Es galt demnach wichtige und richtige Entscheidungen zu treffen, was logischerweise Zeit in Anspruch nimmt. In diesem Falle entschied Monsieur, das Risiko bereits jetzt einen irreparablen Fehler zu begehen sei zu groß, was ihn, nach einer schweigsamen Überlegungsphase, dazu verleitete das Gespräch mit einer freundlichen Verabschiedung und der Kundgebung von Vorfreude zu beenden. In dieser Reihenfolge, welche er im Nachhinein für falsch bewog und ihn unsicher stimmte, da er davon ausging Madame hätte diese Schwäche in seiner Ausdrucksweise bemerkt. Nach dem Telefongespräch resümierte der Herr indem er sich einredete: „Es wurde alles gesagt. Das Treffen steht fest.“ Die Dame ihrerseits redete sich ein, es sei besser einen lakonischen als einen übertrieben redseligen Menschen sich gegenüber zu haben. Diese Erfahrung hatte sie gemacht. Sie gab lieber wenig Unwichtiges von sich als viel.
Monsieur wartete auf dem leicht orange angefärbten Bürgersteig auf die seine Verabredeung. Nicht das er es für unangenehm gehalten hätte als Mann zu spät zu kommen, jedoch die Zeitpläne der Buslinien gaben ihm nur die beiden Optionen entweder zu spät oder zu früh zu kommen. Es knurrte ihm der Magen. Als er sie auf dem Rad sich ihm nähern sah, sie wohnte in der Nähe des Treffpunktes, vielleicht ward der Ort aus rein logistischen Gründen auserwählt, bemerkte er wie so oft wie unschön lange Frauenhaare aussehen, werden sie vom Fahrtwind verweht und aus ihrer geplanten, vorbereiteten Form gerissen. Auf der ihm gegenüberliegenden Strassenseite hielt sie an, stieg vom Rad, schloss es ab und lächelte den Menschen an den sie erwartet hatte. Keinen anderen. Dieser Vorgang sah aus, als ginge er maschinell von statten, ohne auch nur einen Gedanken an das Geschehene verschenkt, oder besser verschwendet zu haben. Demnach war der Eindruck den ihr Lächeln machte ein ebenso maschineller, zwar gut funktionierender, doch lediglich als letzter Teil eines Arbeitsschrittes anzusehender. Ihre Verabredung bemerkte die Studiertheit ihres Verhaltens, ohne sie im Geringsten zu verurteilen. Er sagte sich dreierlei: Erstens dachte er es sei angenehmer ein gut geplantes Schmunzeln zu beobachten, als ein ungeschickt ausschauendes, unvorbereitetes. Zweitens erwartete er ganz einfach nicht mehr. Und drittens hatte er sich ein Ähnliches vorgestellt, fühlte sich in dem Ergebnis seiner Gleichung also bestätigt, was ihm mehr gefiel als positiv überrascht und dabei gleichzeitig enttäuscht zu werden. Er mochte es mehr sich selbst zu gefallen, als es ihm gefiel Gefallen an anderen zu finden. Dies verhieß ein länger anhaltendes Besitztum zu werden. Ein sowohl gängiges als auch verständliches Verhaltensmuster.
Madame musste ein paar Autos abwarten bevor sie Fahrbahn überqueren konnte. Ein unangenehmer Ausgangspunkt. Beide Beteiligten standen sich, würde man eine den Bürgersteig rechtwinklig treffende Gerade quer über die Fahrbahn ziehen, exakt gegenüber. Sowohl Aufregung als auch Ernüchterung und damit einhergehende Reue passierten das Geschehen augenblicklich. Jedoch verschwanden diese Regungen infolge der Begrüßung jäh.
Der Ablauf der Begrüßung stand schon fest, was in Anbetracht der Bedeutung der dieser zukommt nur allzu einleuchtend sein sollte. Monsieur fragte aus einer angemessenen Entfernung heraus „Wie geht es dir?“. Angemessen war sie daher, da er kurz nach Beendigung des Satzes eine willkommen heißende Umarmung anschliessen konnte, ohne das man ihm entweder schlechte Planung, noch Gezwungen- bzw. verfrüht unangebrachte Ungezwungenheit hätte vorwerfen können.
„Ganz gut. Ich freue mich immer auf Abende wie diese, wirklich. Außerdem war ich schon lange nicht mehr aus.“, sagte sie noch immer lächelnd, allerdings ohne Vorsatz.
„Schön, ich freue mich auch sehr. Was haben wir denn vor?“ Freilich hatte er eine Planung des Abends festgelegt, doch wollte er nicht zu führend herüberkommen.
„Ich weiß es nicht. Mir ist es gleich. Vielleicht setzen wir uns erstmal in irgendeinen Laden, es macht schon den ganzen Tag einen Eindruck als könne es jeden Moment zu regnen anfangen“, womit sie ausnahmslos recht hatte, denn trotz des vorhergegangenen Regenschauers und des schon etwas vorangeschrittenen Abends war der Himmel noch immer als schwarz identifizierbar. Hinzu kam eine auffällige Art von Wind die man noch nicht als peitschend bezeichnen konnte. „Ich bin sehr offen was die Wahl des Lokals angeht. Nur war ich vor einigen Wochen in einer Bar die ‚Schwarzes Schaf’ hieß, glaube ich. Mir gefiel das Publikum dort nicht und irgendwann wurde ein Besucher schrecklich grob.“
„Wir könnten ein wenig durch die Strassen flanieren und uns dann irgendwann entscheiden, wohin wir uns setzen werden.“
„Einverstanden“, pflichtete Madame ihm bei, wobei sie sich vornahm nicht lange zu fackeln was die Wahl des Etablissements anging. Zum einen bemerkte sie nun da sie vom Fahrrad gestiegen war, erst recht das ihr und vor allem ihre Finger kalt waren, zum anderen wollte sie etwas Alkohol in ihrem Blut spüren, allein um sich leichter beeindrucken zu lassen.
Beide bewegten sich auf dem Bürgersteig nebeneinander, miteinander redend, sich kennen lernend. Links von ihnen stets der Rinnstein, dann gelegentliche Gullideckel, als nächstes die Fahrbahn auf denen Autos von Menschen mit Zielen dahinsteuerten, wieder ein Rinnstein, wieder der Bürgersteig auf dem matte Gesichter ihre eine vor sich her schleppten. Eingerahmt wurde die gesamte Szenerie durch Häuser auf beiden Seiten des Weges. Die Altstadt durch die sie schlenderten besaß nur kleine Seitenstrassen, ein Haus reihte sich zumeist nahtlos an das nächste. Von Zeit zu Zeit eine Einfahrt, eine Kneipe, ein Kino oder ein umfunktionierter Kuhstall. Ein Ende der Strasse war nicht abzusehen, denn Lichter funkelten hier und dort und schlichtweg überall. An jeder Hauswand brannte Licht, am Horizont flackerten stecknadelgroße Funken und am Himmel mussten sich Sterne erst durch Regenwolken kämpfen, wodurch nur wenige Planeten sichtbar wurden auf die man hätte ausweichen können. Doch dieser Tatbestand fiel erst gar nicht auf, denn wer schaut schon bei solchem Wetter gen Himmel? Die Frage stellte sich ganz einfach nicht, denn vor einem lag diese Strasse die es hinabzuschlendern galt, auf der Suche nach einer Schenke samt Sitzplätzen. In einer Kneipe sah man durch die teilweise spiegelnden Fenster blickend Menschen mit Jeans, Pullover, Hemd, Rock oder T-Shirt. Männer mit kurzen, Frauen mit langen Haaren. Offen, zu einer aufwendigen Friseur gebunden oder mit Gel und Wachs sortiert und gebändigt. Auf den Tischen Gläser mit Bier, Wein oder farbig frohen Mischgetränken. Auf den Gesichtern eine Art von Zerstreuung und Amüsement die offensichtlich darlegte, das diese Abende ein Versuch waren über trostlose Verwirrung hinwegzuhelfen. Sie lachten auf eine Weise so ausgelassen, sich so berechnend ablenkend, dass schon jedes Schmunzeln einem bewussten Selbstbetrug glich. Aber man müsste doch nur auf die Augen achten. Diese verzogenen Münder sollen doch nur kaschieren was die Augen herauszuschreien versuchen: „Ich kenne dieses Glas Bier, seine Wirkung und meinen Rausch. Dieses Gesicht habe ich schon einmal gesehen oder auch nicht. Allein das ist gleich, denn es ähnelt dem irgendeines Bekannten oder zuvor Gesehenen. Ich kann es auch verschiedensten Eindrücken zusammensetzen: Die Nase Maries, die Wangen meiner Cousine, usw.“ Darum fehlt es den Augen an Stimmbändern. Sie sind zum Schweigen verurteilt und zum Sehen gezwungen. Genötigt ihre Eindrücke erst durch ein minderwertiges Gehirn verarbeiten zu lassen und durch die Gefühle ihrer Besitzer zu etwas werden zu lassen, das man entweder mag oder nicht. Denn das Auge kennt es schon. Glücklicherweise fehlt es ihnen an Stimmbändern. Themen und Phrasen mithilfe welcher man sich kennen lernt, Sprüche, Höflichkeitsformen und eine bestimmte Sittlichkeit die sich an den Grad des vorangegangenen Alkoholkonsum an anzupassen hat. Dieser oder jener Blick ist nicht bewusst, jedoch unbewusst berechnend und suggestiv. Für den Außenstehenden ist Absicht und Erfolg ersichtlich. Ein verlegenes Lächeln während sich der Kopf ein wenig seitlich und vom Gesprächspartner weg bewegt, ein unverständnisvolles Zusammenziehen der Augenbrauen und Lippen die leicht gespitzt zu drohen scheinen, oder gleichmütig trunkene, gerötete Augen die besagen, einleitende und charmante Schmunzelsätze seien fehl am Platze und von hier an könne man direkter vorgehen. Abende und abendliche Erlebnisse die sich allabendlich wiederholen. Offene Geheimnisse von denen niemand öffentlich zu sprechen wagte, denn wer nimmt sich schon mutwillig Beschäftigung und bereitet sich vorsätzlich Langeweile und Leere? Glücklicherweise nur Wenige
Schließlich wurde es doch immer später und die Besucher der Bars und Kneipen offensichtlich immer berauschter. Es war wohl um die Zeit in der sich Gruppen von Bekannten, nachdem sie sich in ihren Wohnungen getroffen hatten, sich unterhalten, getrunken, gelogen, übertrieben und sich wohlmöglich sogar verliebt hatten, auf die Strassen begaben um etwas zu erleben, wobei dies meist mit Zeit-Totschlagen und dem Ausgehen von Gesprächsstoff gleichzusetzen war. Es war also um die Zeit zu der es all samstagabendlich notwendig wurde das fehlende Interesse an seinen Freunden und die Langeweile die diese offenbarten dadurch auszugleichen, bunte Lichter, laute Musik und durch betörende Flüssigkeiten gesprächig gewordene Fremde auf die Sinne loszulassen. Kurz, es wurde Hilfe von Außen benötigt. Was weder verwunderlich noch verurteilenswert war, da jeder Mensch nur eine begrenzte Anzahl von Erlebnissen, Ideen und Gelüsten ist die dem anderen nach gewisser Zeit bekannt sind, ihn langweilen und daher Gefahr bürgen aus Sympathie und Freundschaft Hass werden zu lassen. In diesem Zustand waren die beiden natürlich noch nicht, was sie verlegen machte. Das Gefühl sie seien ihrer Umwelt gegenüber rückständig entstand und sie müssten dringend aufholen. So fanden sie sich endlich in einem gut- aber nicht überfüllten Raum wieder, der zum einen nicht stickig oder drückend wirkte, zum anderen den Eindruck machte als seien die beiden nicht das einzige Pärchen das gerade erst im Begriff war sich kennen zu lernen. Solide Voraussetzungen. „Ist ganz gemütlich hier“, log sie. Ihr war während des Fußmarsches stetig kälter und ihr Verlangen nach einem seichten Rausch immer größer geworden. Doch als schrecklich befand sie ihren Standort ebenso wenig.

Samstag, 23. Dezember 2006

Blonde Dame

Ein Raum war dicht gefüllt mit Menschen. Alle vier Wände des kleinen Cafés waren verglast. An jeder Wand jeweils acht halbgroße Fenster, nur wenige waren geöffnet, doch es herrschte allgemeines Rauchverbot und die Luft war, den Verhältnissen entsprechend, in Ordnung. Es fanden zwölf unterschiedlich große Tische in dem ca. vierzig Quadratmeter kleinen Raum Platz. Neben Tischen, Fenstern, Gästen und Kellnern waren eine Theke in der rechten Ecke des Cafés und Stühle im gesamten Raume verteilt: Grob geschätzt dreißig Sitzgelegenheiten die beinahe komplett besetzt waren.
Die verschiedenen Parteien die das dutzend Tische umringten, waren nicht allzu unterschiedlich, was an der Reputation des Ladens lag, welcher zumeist ein bestimmtes, sozusagen ausgewähltes Aussehen von Menschen herausfilterte und anzog. Faktoren waren die Preise der Produkte und der äußere Eindruck: Fliesen, die Gestaltung der Decke und sich auf den Tischen befindliches Accessoire: Kerzen und wiederum bewusst filternde Zeitschriften. Nur wenige Fremdkörper in Form von Gästen schienen sich in dieser Komposition verirrt zu haben. Sie fielen heraus und hatten in einer Ecke des Raumes Platz genommen, in der sie sich von den anderen Gästen abgesondert hatten und eine Art Geschwulst bildeten die eitrig zu platzen drohte. Ihre Kleidung war auf den ersten Blick billiger und auf den zweiten weniger abgestimmt als die der Anderen. Die bevorzugten Farben von Oberteilen und Kopfbedeckungen stimmten nicht in dem Maße mit den schwarz-weiß karierten Fliesen überein, wie es die Oberteile und Kopfbedeckungen aller anderen Gäste taten. Sie tranken dieselben Getränke, was jedoch ausschließlich auf die eingeschränkte Auswahl der Karte zurückzuführen war.
Durch die ebenfalls verglaste Eingangstür trat eine junge Dame ein. Sie schien dieses Café regelmäßig zu besuchen, da sie von fünf bis sechs Bekannten und von einem Kellner begrüßt wurde. Blonde offene Haare fielen leicht über Schultern und Stirn. Kleine Augen die durch die gerade von der Stirn hinunterfallenden Haare noch kleiner und beinahe nicht mehr erkennbar wirkten. Doch machte dieser Zug etwas immens Feines und Zartes her. Ein kindlicher Glanz strahlte aus den auffällig unauffälligen Augen. Auf diese Art und Weise glich ihr Gesicht einem auf unsicheren Füssen stehenden Gebilde, vielleicht einem Kartenhaus, schön anzusehen – ja erst aufgrund seiner gefährdeten Statik zu etwas Schönem werdend – jedoch die Gefahr bergend durch einen einzigen Windstoss auseinander gerissen zu werden. Schon ein Seitenscheitel hätte alles Bewundernswerte aus ihrer Miene geraubt. Wie hätte erst eine größere Nase sie entstellt? Doch so wie es nun einmal war, passte sich die reine Komposition ihres Antlitzes ideal der technisch einwandfreien Komposition des Raumes an. Nachdem Freunde und/oder Bekannte begrüßt waren, setzte sie sich an einen eigentlich bereits gedrängten Tisch. Gegenüber des Geschwulstes. Wäre der Raum leerer und die Sicht auf den gegenüberliegenden Tisch gegeben gewesen, hätte sie niemals auf diesem Stuhl Platz genommen, die Augen direkt auf den schäbigen Fleck dieses Porträts gerichtet. Doch sie wurde nicht gewarnt und so oder so war der Raum gefüllt und der Blick auf den Eiterklecks nicht gegeben. Nur gelegentlich. Selten. Sie dachte: „Diese Leute sind mir widerlich und ich möchte das sie verschwinden.“
Durch die Tür trat ein weiterer Besucher ein. Dieser wiederum machte sich gut auf diesem Bilde. Nahtlos verschmolz er und die frisch aufgetragene Ölfarbe trocknete blitzschnell, denn schon nach wenigen Sekunden fiel niemandem mehr störend glänzende Feuchtigkeit auf. Dem ersten Eindruck nach zu urteilen hatte wohl jeder Halbstammgast erwartet der Eingetretene sei wohl bekannt und es sei nichts weiter als ein Zufall, das man ihm noch nie begegnet sei, oder er einem noch nie aufgefallen war. Denn er war hübsch und wäre er eingebildet, man verzöge es ihm augenblicklich. In diesem Falle hätte man nicht einmal von Arroganz reden dürfen, denn bezeichnete er sich als schöner als die meisten anderen, wäre dies einzig und allein zutreffend gewesen. Völlig objektiv. Wie auch immer der werte Leser Attraktivität definieren mag, dieser Eingetretene erfüllte Ihre Kriterien individuell.
Es ging ein Raunen durch den Raum, denn die Gäste mit Blick auf die Eingangstür hatten die Kunde des hübschen Eingetretenen weitergegeben und nicht wenige drehten sich hieraufhin um, um sich ihr eigenes Bild innerhalb dieses Bildes zu machen. Die gefilterte, gewissermaßen artgemäße Menge war sich einig und ein Beschluss stand fest: Er ist willkommen, ja sogar mehr als das.
Er bestellte einen Tee an der Theke, wartete bis sein Getränk bereit war, nahm es in die Hand und bewegte sich festen Schrittes Richtung Eitergeschwulst. Auch er begrüßte und nahm Platz. Aus dem vorhergegangenen Raunen wurde eine stille Heimlichkeit, ein nur noch dumpfes Geräusch das Empörung auszudrücken schien darüber, dass der hübsche Eingetretene tatsächlich ein Teil des Tumors sein sollte. Der Großteil der Gäste begann nun seine Schönheit und die anfängliche Überraschtheit herunterzuspielen. Jedoch die blonde Dame kämpfte. Verwirrung machte sich breit, ein Wirrsal zwischen prinzipientreuer und erschütterter, erregter Bewegung. Er saß eindeutig am falschen Tische, doch der erste Eindruck war geblieben, seinem Auftreten war nichts Negatives abzugewinnen, außer der Tatsache das er am falschen Tische saß.
Sein Stuhl stand dem der blonden Dame gegenüber, sein Gesicht schaute demnach ebenfalls gen Madame. Ihr fiel es schwer ihn zu beobachten, um Fehler in seinem Verhalten - Grobheiten oder Liiertheit - festzustellen, da sie wie bereits erwähnt nur selten einen Blick auf ihn erhaschen konnte. Der erste Blick war beruhigend, sein Benehmen tadellos und seine Gestik in Ordnung. Der zweite Blick war ergreifend, denn der Ausdruck seines Gesichts trug Pathos, was ihrerseits zu der Annahme führte, er fühle sich unwohl in dieser eitrigen Gesellschaft. Selbstverständlich ein Irrglaube, da es sich um nahe stehende Freunde handelte. Der dritte Blick wurde seinerseits erwidert und beantwortete gleichermaßen ihre Frage auf vermeintliches Interesse seiner Person ihr gegenüber. Abermalig wiederholte sich dieser Vorgang, jedoch war sich die Dame nicht sicher ob sie sich freuen, oder traurig über die Gesellschaft des Herrn sein sollte, da sie sich ein Zusammensein mit diesen Menschen nicht vorstellen konnte. Ganz im Gegenteil gefiel ihr die Vorstellung des Zusammenseins mit ihm. Einige wenige Male lächelten sie sich sogar gegenseitig an. Ein solider, feststehender Tatbestand, unweigerlich.
Worüber an ihrem Tische gesprochen wurde wusste er ebenso wenig, wie sie wusste was das Gesprächsthema seines Tisches war, jedenfalls äußerten einige Freunde der Dame die Absicht, den Laden zu verlassen und irgendetwas anderes zu tun. Sie standen auf und verließen den verglasten Raum.

Sonntag, 17. Dezember 2006

Antalya

Ein Hungergefühl um 22 Uhr. Ich fahre mit dem Rad durch die Stadt, so oder so, komme an einem Imbiss vorbei, der nach einer türkischen Stadt bennant ist und treffe eine Entscheidung: Das Fahrrad lehne ich an eine alte Mühle. Ich trete ein.

Ich hatte zuvor gedacht ich wolle eine Salattasche essen, doch als ich vor der Kasse stand, mir die grossen Lichttafeln ansah, auf denen die Möglichkeiten abzulesen waren, entschied ich mich für eine doppelte Pommes. Ich gab meine Bestellung auf. Der Mensch mit dem ich sprach war klein gewachsen, hatte einen leichten, sichtbaren Bartwuchs, einen sogenannten "Dreitagebart", eigentlich eher zwei, lächelte auf eine Art und Weise die einen denken machte er lache nicht wirklich, sondern die Muskeln seines Gesichtes seien ganz einfach so angeordnet, Tag und Nacht. Der Eindruck den ich von ihm hatte war ein durchweg sympathischer. Ich nahm Platz. Setzte mich seitlich zur Kasse, auf einen Zigaretten Automaten starrend. Rechts die Theke, samt Kasse und links die verglaste Front des Ladens, in welcher sich wiederum die gesamte Szenerie spiegelte. Ein doppelter Eindruck der durch seinen sich aufdringenden Charakter Angst machte. AUf dem Zigarretenautomat stand irgendetwas mit "töten", den genauen WOrtlaut habe ich allerdings vergessen. Ich war in der Lage jeden Arbeitsschritt der Angestellten zu beobachten, da ja die verglaste Front des Ladens eine Art Mattscheibe darstellte. Demnach stand ich wenige Sekunden bevor meine Portion Pommes bereitet war auf und begab mich zur Kasse. Der Angestellte pfiff ein Liedchen das mir nicht bekannt war, und ich stimmte mit ein. Er sagte: "Weißt du wie alt das Lied ist?". "Nein", antwortete ich. "Bestimmt so um die sechzig Jahre", gab er mit seinem türkischen Akzent, in einem unsicheren Ton und mithilfe einer Betonung die besagte es handele sich um einen Witz von sich. "Aha". Ich musste schmunzeln. Sein Gesicht trug noch immer diesen beonderen, sympathischen Ausdruck und seine Mundwinkel berührten beinahe die Ohrläppchen, was weniger an seinem zu grossen Mund, als an dem insgesamt schmal ausfallenden Gesicht lag.

Das Geld war bezahlt, die Pommes in Papier gehüllt und unter meinen Armen verstaut. Ich verließ den Laden und wünschte mir die Zeit wäre angehalten worden, in dem Moment in dem ich auf seine Antwort, das Alter des Liedes betreffend, wartete. Nicht für immer, jedoch ein paar Minuten hätte man mir geben müssen.

Freitag, 15. Dezember 2006

...

Ich werde mich gleich auf den Weg. machen.

Montag, 11. Dezember 2006

Das Wandern ist des...

Manchmal laufe ich durch die Stadt, den Weg vom Bus zum Zug, vom Zug zum Bus oder vom Bus zum Haus. Ich schiesse kleine Steinchen vor mir her. Sie lenken mich ab, vom Denken. Von Sätzen die ich wortlos in meinem Kopf bilde und deren Inhalt mir nicht gefällt. Manchmal treffe ich richtig gut, sehe wie er meterweit hinfort fliegt, dann rollt, dann stolpert und schliesslich liegenbleibt. Ich halte zwar meinen Kurs, oder weiche im Höchstfall wenige Grad vom eigentlichen Weg ab, doch verfolge das getretene Steinchen peripher im Auge. Ich nähere mich ihm wieder langsam, bis ich in Reichweite komme. Wieder trete ich das Steinchen und es fliegt ein paar Meter. Es rollt. Es stolpert. Es bleibt stehen. Der Vorgang wiederholt sich. Üblicherweise nicht mehr als drei- oder viermal.

Denn irgendwann treffe ich das geliebte Steinchen nicht wie ich es erdacht hatte und der Winkel des fliegenden Steinchens stimmt nicht mehr mit meinem Weg überein. Ich bin mir zu schade um einen Umweg zu gehen und fühle mich zu beobachtet um, für jedermann ersichtlich, eines Steines wegen meinen Plan abzuändern. Ich lasse ihn am Rande liegen und nach einiger Zeit ist er fort. Die Ablenkung ist fort. Ich wollte sterben ohne ihn. Wirklich.

Ich kann mir nicht einfach vornehmen, irgendjemand unwillkürlich zu treten anzufangen.

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